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Junge Akademie Schweiz JAS
Globale Herausforderungen über Wissenschaftsdiplomatie bewältigen
Um globale Herausforderungen zu meistern, ist die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Diplomatie von entscheidender Bedeutung. Wie sich junge Akademikerinnen und Akademiker über Wissenschaftsdiplomatie ins politische und diplomatische Geschehen einbringen können, war Thema des diesjährigen Meetings des Netzwerks nationaler europäischer Junger Akademien (ENYA) in Bern, organisiert von der Jungen Akademie Schweiz.
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Welchen Rahmen können junge Forschende nutzen, um wissenschaftliche Erkenntnisse in politische und diplomatische Prozesse einzubringen? Wie können sie die Wissenschaftsdiplomatie nutzen, um zur Lösung globaler Herausforderungen beizutragen? Diesen und weiteren Aspekten rund ums Thema «Science Diplomacy» gingen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Anfang Juni in Bern nach: am zweitägigen Meeting der European National Young Academies (ENYA), dem jährlichen Treffen der nationalen europäischen Jungen Akademien. An der Tagung, die von der Jungen Akademie Schweiz (JAS) organisiert wurde, diskutierten die Teilnehmenden über Rollen, Verantwortung und diplomatische Skills von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Zum Programm gehörten ein interaktiver Austausch, eine ausführliche Public Session, Podiumsdiskussionen mit Expertinnen und Experten sowie partizipative Workshops.
Die Relevanz der Wissenschaftsdiplomatie betonte jüngst auch der Report «On Science for Policy and Diplomacy Education in Switzerland and Beyond: A Brief Overview», veröffentlicht vom Swiss Young Network for Science Policy and Diplomacy SYNESPOD, einer Projektgruppe der Jungen Akademie Schweiz: Weltweit dringende internationale Herausforderungen, etwa globale Pandemien oder die Klimakrise, erforderten gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Diplomatie, schreiben die Autorinnen und Autoren. Bildungsangebote im Bereich der Wissenschaftsdiplomatie und -politik seien jedoch begrenzt – sowohl in der Schweiz wie auch in Europa und weltweit. Die Position der Schweiz als neutrale Plattform für den wissenschaftlichen und diplomatischen Austausch biete sich an, um ein breiteres Engagement der (inter)nationalen Gemeinschaft – darunter auch der jungen Akademikerinnen und Akademiker – anzuregen.
Wissenschaft für Politik und Diplomatie als Motor des Wandels
Eröffnet wurde die Tagung, die unter anderem von JAS-Mitglied Darius Farman moderiert wurde, mit einer Public Session zum Thema Wissenschaftsdiplomatie. Nicolas Seidler, Leiter des Geneva Science Diplomacy Interface (GSPI), wies auf die Verantwortung der Wissenschaftsdiplomatie hin. Die Wissenschaft habe die Möglichkeit, globale Herausforderungen anzugehen, etwa in den Bereichen Umwelt, Weltraumforschung und Gerechtigkeit oder in geopolitischen Krisen, sagte er: «Der Hebel der Wissenschaft war noch nie so stark wie heute.» Der Handlungsbedarf sei gross, wie der jüngste UN-Bericht zu den SDGs zeige. Die Wissenschaft liefere jedoch nicht nur Beratung zur Lösung globaler Probleme, führte Seidler aus: Sie sei auch ein Motor des Wandels, aktuell insbesondere in den aufstrebenden Bereichen der KI und der Weltraumtechnologie.
Laut Seidler wird Wissenschaftsdiplomatie im Allgemeinen als die gegenseitige Beeinflussung von Wissenschaft und Diplomatie beschrieben. Wissenschaftliche Beziehungen seien schon früh für aussenpolitische Zwecke genutzt worden, so Seidler. Aufwind habe die Wissenschaftsdiplomatie während des Kalten Krieges erhalten, wie die Gründung des CERN in Genf im Jahr 1954 und andere internationale Initiativen zeigten. Verstärkt wurde sie zudem durch das globale Bewusstsein rund um den Abbau der Ozonschicht in den 1970er Jahren. Seit der Jahrtausendwende habe die Wissenschaft in der Welt der Diplomatie an Bedeutung gewonnen, wie die Verleihung des Friedensnobelpreises an den IPCC im Jahr 2007 und die Formulierung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) im Jahr 2015 zeigten. Dies beziehe sich auf alle drei Definitionen, die üblicherweise zur Beschreibung des Begriffs «Science Diplomacy» verwendet würden. Konkret trage die wissenschaftliche Zusammenarbeit zur Förderung einer friedlicheren Welt bei, etwa durch gemeinsame Wissenschaftskooperationen (Wissenschaft für Diplomatie), wie das Beispiel des CERN zeige. Wissenschaftliche Erkenntnisse könnten auch als Grundlage für aussenpolitische Entscheidungen dienen (Wissenschaft in der Diplomatie), ein Beispiel dafür sei der IPCC. Schliesslich diene die internationale Zusammenarbeit auch der wissenschaftlichen Forschung (Diplomatie für die Wissenschaft). Die heutigen globalen Herausforderungen erforderten jedoch eine Definition, die die vielfältigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Dimensionen von Wissenschaft und Diplomatie beschreibe, sagte Seidler: «Dies erlaubt einen stärkeren Fokus auf den Prozess statt auf das Endziel – und trägt der Komplexität der Wechselwirkungen Rechnung.»
Wissenschaftliche Beziehungen stärken
Nach der Einführung in die Wissenschaftsdiplomatie gab Philippe Roesle, der an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Diplomatie arbeitet und derzeit als CEO und Konsul von Swissnex in China weilt, Einblicke in die Praxis der Wissenschaftsdiplomatie. Er zeigte in seinem Referat auf, wie Swissnex, das globale Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationsnetzwerk, die Wissenschaftsdiplomatie stärkt, indem es Forschende vernetzt und Opportunitäten und vielversprechende Kooperationsbereiche identifiziert.
So veranstaltete Swissnex in China beispielsweise während der Shanghai Climate Week im April 2025 den «Climate Ring Shanghai» – ein Boxring, in dem Workshops und andere Veranstaltungen stattfanden – und der die Dringlichkeit und Dynamik aufzeigen sollte, die zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlich sind. Roesle stellte auch das fünftägige Programm «Tech&Ethics: Shaping Digital Integrity» vor, welches sich rund um KI drehte: Swissnex brachte in Peking und Shanghai Schweizer sowie chinesische Forschende mit Vertretenden aus Politik und Wirtschaft zusammen, um Fragen rund um Ethik, Recht und Gesellschaft zu beleuchten.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit bringe Menschen zusammen, dies stärke die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Schweiz, betonte Roesle: «Da entsteht gemeinsames Wissen und Vertrauen.» Der Austausch ermögliche der Schweiz, vieles über China zu lernen – ein globales «Science Powerhouse», das zahlreiche Möglichkeiten biete. Der internationale akademische Austausch mit China bleibe daher nach wie vor wichtig, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erkennen. Wenn es darum gehe, die Herausforderungen rund um die aufkommende KI oder den Klimawandel gemeinsam zu bewältigen, sei diese Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung.
Wissenschaftsdiplomatie als Instrument
Die aktuelle Rolle der Wissenschaftsdiplomatie und des akademischen Nachwuchses wurde in der anschliessenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Jovana V. Milić, Mitglied der JAS und Sprecherin dessen SYNESPOD-Projekts, weiter erörtert. Philippe Roesle betonte die Veränderlichkeit der Wissenschaftsdiplomatie-Landschaft und ermutigte junge Akademikerinnen und Akademiker, sich zu engagieren: «Lernt, mit Politikerinnen und Politikern zu kommunizieren und über den Tellerrand hinauszuschauen. Forschende haben die Möglichkeit, Barrieren zu überwinden.»
Die wichtige Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betonte auch Theodota Lagouri, Vertreterin des CERN wie auch des MSCA-Netzwerks. Sie wies auf die Bedeutung des CERN für die globale Wissenschaftsdiplomatie hin und ermutigte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich zu engagieren und in ihre «Soft Skills» zu investieren und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen: «Wissenschaft bringt Nationen zusammen. Wir entwickeln neue Technologien. Wir müssen zusammenarbeiten, weil wir eine bessere Zukunft wollen.» Dabei müsse man auch unterrepräsentierten Gruppen eine Stimme geben, denn es sei wichtig, «dass wir auch über Gleichstellung sprechen».
Auch Gabriela Ivan vom International Science Council (ISC) wies darauf hin, wie wichtig die Vielfalt in der Wissenschaftsdiplomatie aus internationaler Sicht sei: «Diplomatie macht Wissenschaft wirksamer, denn sie erlaubt einen tiefgründigen Austausch. Wir müssen sie deshalb als Instrument für mehr Diversität nutzen. Wir müssen Brücken bilden und alle Regionen und Disziplinen einbinden, indem wir multidisziplinär und global zusammenarbeiten.» Ivan schlug vor, sich mit unkonventionellen Mitteln Gehör zu verschaffen, und zwar durch neue Initiativen und den Kapazitätsaufbau von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern aller Fachrichtungen.
Helen Eenmaa, die die Young Academies Science Advice Structure (YASAS) vertrat, wies auf die Bedeutung wissenschaftlicher Netzwerke hin, die junge Forschende unterstützten, Skills zu erarbeiten und sich einzubinden. Sie wies darauf hin, dass wissenschaftliche Politikberatung eine eigene Kunst sei. Die derzeitige Situation der Wissenschaftsdiplomatie biete eine strategische Gelegenheit, die eigenen Rollen und ihre Wirkung neu zu definieren.
Wie wichtig es ist, Netzwerke für Wissenschaftsdiplomatie zu stärken, sprach auch Ralf Mitschke von der European Science Diplomacy Alliance (EUSDA) und dem Bayerischen Akademischen Zentrum für Lateinamerika (BAYLAT) an. Er sprach über die Bedeutung dieser Netzwerke für die Wissenschaftsdiplomatie und betonte, diese dürfe nicht nur in den «grossen internationalen Hubs» stattfinden, sondern auch «an der Basis», wobei man die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft, einschliesslich des globalen Südens, berücksichtigen sollte. Die universelle Sprache der Wissenschaft könne dazu beitragen, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und gleichzeitig Vertrauen zu schaffen – dies wirke sich auf die gesamte Gesellschaft aus.
Nachwuchsforschende können mit ihrem dynamischen Engagement in der Wissenschaftsdiplomatie und an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik einen Wandel bewirken. Sie sollen ermutigt werden, aktiv zur Bewältigung dringender Herausforderungen beizutragen. Das ENYA Netzwerk könnte dafür eine kraftvolle Plattform bieten, indem es Hindernisse für das Engagement junger Akademikerinnen und Akademiker in der Wissenschaftsdiplomatie angeht und dadurch deren Beteiligung vereinfacht – und sie dadurch unterstützt, wichtige Ideen und Initiativen in sinnvolle globale Massnahmen umzusetzen.
