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Clara Zemp will nicht nur Wissen produzieren

Sie sucht in ihrer Forschung die Veränderung: Clara Zemp ist Professorin für Naturschutzbiologie an der Universität Neuchâtel  – und sucht den Austausch über Disziplinen hinweg. In der Jungen Akademie findet sie Raum, um Wissenschaft neu zu denken und ihre gesellschaftliche Rolle als Wissenschaftlerin zu reflektieren.

Autorin: Astrid Tomczak

Es gibt manche Ratschläge, die Jugendliche nicht befolgen sollten. Auch dann nicht, wenn sie von Autoritätspersonen kommen. Clara Zemp erhielt einst einen solch einen Rat. Sie war 13 oder 14 Jahre alt, ein Teenager mit Flausen im Kopf, wenig Lust am Lernen und nicht zurückhaltend mit Kritik. «Ich hasste den Biologieunterricht, weil wir ständig Dinge auswendig lernen mussten» erinnert sie sich. Jedes Mal, wenn Clara eine Frage stellte, habe die Biologielehrerin geantwortet: «Das ist nicht Teil des Lehrplans, sprich nicht davon. Und sie sagte mir, ich solle besser nicht in den Naturwissenschaften oder in der Biologie weitermachen, weil das nicht mein Ding sei.» Heute ist Clara Zemp Professorin für Conservation Biology an der Universität Neuchâtel. Biologie dürfte also so ziemlich «ihr Ding» sein.

Eine ordentliche Professur im Alter von 36 Jahren  –  das ist nicht die Regel. Da stellt sich die Frage: Wie hat es Clara Zemp geschafft? Die kurze Antwort lautet: Harte Arbeit, günstige Umstände, eine Portion Glück und viel Entschlossenheit. «Während meines Studiums war für mich immer klar, was ich machen wollte. Ich habe mich auf diese Projekte fokussiert. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum ich relativ schnell vom PhD zum Postdoc und dann zur Assistenzprofessur gekommen bin.» Während der Corona-Pandemie war Clara Zemp in Deutschland und nutzte den Lockdown, um Papers und Anträge zu schreiben – ohne Angst vor Rückschlägen. Diese Furchtlosigkeit vor Herausforderungen begleitete sie auch bei Bewerbungen: «Ich kenne Leute, die sagen: ‚Ich bin zu jung‘ oder ‚Ich muss erst mehr publizieren‘ – und sich gar nicht erst bewerben. Ich habe das nicht gemacht. Ich habe es einfach versucht.»

«Ich kenne Leute, die sagen: ‚Ich bin zu jung‘ oder ‚Ich muss erst mehr publizieren‘ – und sich gar nicht erst bewerben.»

Ist sie also mit einer besonders grossen Portion Selbstvertrauen ausgestattet? Clara Zemp zögert mit der Antwort – um dann zu widersprechen: «Ich glaube nicht, dass es um Selbstvertrauen geht, sondern eher um Entschlossenheit. Wenn ich merke, dass etwas für mich richtig ist, dann setze ich alles daran, es zu erreichen.» Doch sie betont auch den Rückhalt durch ihre Familie: «Ich hatte das Glück, dass beide meine Eltern in der Wissenschaft tätig waren – mein Vater war Ethnomusikologe, meine Mutter hat ebenfalls promoviert.» Als es um die Professur ging, habe ihr insbesondere ihre Mutter geholfen. «Niemand hatte mir vorher erklärt, was ein Forschungsprogramm eigentlich ist – das kam wirklich durch meine Mutter.»

Sie und Neuchâtel: Das sei «ein guter Match», sagt Clara Zemp heute. Vorgezeichnet war dieser Weg allerdings nicht unbedingt: Als Gymnasiastin lebt sie mit ihrer Familie in Frankreich, wo es für Jugendliche naturwissenschaftlich geprägte Vorbereitungsklassen für Ingenieurschulen gibt. Clara wollte eigentlich nicht Ingenieurin werden, aber sie war gut in Naturwissenschaften und hatte Spass an dieser Herausforderung. Also landete sie an einer Ingenieurschule. Drei Jahre dauerte die Ausbildung – unterbrochen durch ein praktisches Jahr. Danach absolvierte die frischgebackene Ingenieurin ein PhD in Erdsystemwissenschaften in Potsdam, bevor sie als Postdoc nach Göttingen weiterzog, an die Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie. Dort legte sie die Forschungsbasis für ihre heutige Tätigkeit in Neuchâtel. Doch eigentlich wurde der Samen dafür schon viel früher gesät: Auf ihren Reisen nämlich, die sie auf die ganze Welt führten, und ihr die Augen für den Zustand der (Um-)Welt öffneten. «Ich war einfach traurig, als ich die Zerstörung von Ökosystemen sah» sagt sie. Sechs Monate lebte sie in Vietnam, sechs Monate in Brasilien, später dann zwei Jahre in Indonesien. «In diesen Ländern sieht man wie Wälder in kürzester Zeit abgeholzt werden.» Das sei eine «schockierende» Erfahrung gewesen. Und ihr wurde klar: Sie will Forschung betreiben, die irgendwie zur Veränderung beiträgt. «Nur reine Wissensproduktion ohne Sinn – das hat für mich keine Bedeutung.»

«Nur reine Wissensproduktion ohne Sinn – das hat für mich keine Bedeutung.»

Dass ihre Arbeit «mission driven» ist, ist gleichzeitig Motivation und Herausforderung: Die Grenzen zwischen wissenschaftlich fundierter (Aufklärungs-) Arbeit und Aktivismus können verwischen, Forschende bewegen sich zuweilen auf einem schmalen Grat. «Meine Forschung ist von der Überzeugung getragen, dass Biodiversität geschützt und erhalten werden soll», sagt Clara Zemp. «Ich hatte aber lange Mühe mit meiner Rolle als Wissenschaftlerin in einer solchen Disziplin, die eben nicht nur deskriptiv ist, sondern ein konkretes Ziel verfolgt.» Geholfen bei dieser Gratwanderung hat ihr auch die Junge Akademie. «Ich hatte vorher nie den Raum, um darüber tiefer nachzudenken. In der Jungen Akademie hatte ich diesen Raum zum ersten Mal.» Zemp engagierte sich unter anderem im Projekt «science vs activism», wo es genau darum ging, den Graubereich zwischen diesen Welten auszuloten. «Es war sehr inspirierend und hilfreich, Teil dieses Projekts zu sein und zu diesen Workshops und Diskussionen beizutragen.»

Sowieso stand für Clara Zemp die Mitgliedschaft in der Jungen Akademie Schweiz von Anfang an im Zeichen des Austauschs: Sie wollte sich über disziplinäre Grenzen hinaus engagieren. «Als Assistenzprofessorin soll man vor allem Lehre und Forschung entwickeln. Aber ich wollte mehr – ich wollte mich einbringen, mit anderen über neue Formen von Wissenschaft und Zusammenarbeit nachdenken», sagt sie. Besonders wichtig war ihr dabei der Aufbau eines Netzwerks ausserhalb der eigenen Universität: «Es war auch ein Weg, mich stärker in das Schweizer Wissenschaftssystem zu integrieren und andere Perspektiven kennenzulernen.» Dabei wurden ihre Erwartungen sogar übertroffen. «Ich habe Kontakte geknüpft, mit denen ich nie gerechnet hätte – und dabei auch meinen Blick auf Wissenschaft und ihre Rolle in der Gesellschaft erweitert.»

«Ich brauche Aktivitäten, um den Kopf freizubekommen»

Einen neuen Blick auf die Dinge bekommt sie auch als Gipfelstürmerin. Ihre Freizeit verbring sie am liebsten in den Bergen. «Ich brauche Aktivitäten, um den Kopf freizubekommen», sagt sie. Sie ist Mitglied des Schweizer Alpen-Clubs, geht auf Gletscher- und Klettertouren. Zudem praktiziert sie seit über 15 Jahren Capoeira.

Und wie geht es weiter? Zemp ist seit 2025 ordentliche Professorin – mit wachsender Verantwortung. «Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe, aber mir ist auch bewusst, wie viel Glück ich auf meinem Weg hatte.» Dieser Weg hat sie an einen Ort geführt, von dem sie sagt, dass es der beste ist, den sie sich vorstellen kann: «Ich sehe mich in fünf Jahren noch immer hier sitzen, auf dieser Bank, mit Blick über den See. Ich möchte das, was ich jetzt aufgebaut habe, weiterentwickeln und vertiefen», sagt sie. «Ich habe nicht das Gefühl, dass ich woanders hinmüsste.»

Clara Zemp wurde 1988 in Paris geboren und wuchs in Frankreich und der Schweiz auf. Nach dem Gymnasium in Frankreich absolvierte sie eine Ingenieursausbildung, ein PhD in Erdsystemwissenschaften am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ein Postdoc in Göttingen im Bereich Biodiversität . 2021 trat sie eine Assistenzprofessur für Conservation Biology an der Universität Neuchâtel an, seit 2025 ist sie ebenda ordentliche Professorin. Clara Zemp engagiert sich für interdisziplinäre Wissenschaft, Biodiversitätsschutz und im Rahmen der Jungen Akademie Schweiz auch für den Austausch von Wissenschaft und Politik sowie für neue Lehrformate an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft.

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